Opfer des Corona-Virus sind überwiegend Männer. Sie trifft das Virus Sars-CoV-2 deutlich härter. Zwei von drei Corona-Toten sind männlichen Geschlechts. Nicht nur in Deutschland. Der Befund gilt auch für Länder wie Spanien und China. Das Alter und Vorerkrankungen alleine erklären das Risiko, an Covid-19 zu erkranken oder zu sterben, nicht alleine. Es liegt auch am Geschlecht, sagen Immunologen. Ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis gibt es auch bei Corona geschlechtsspezifische Unterschiede. Neben Faktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum spielen zwei weitere Faktoren eine große Rolle: die Hormone und die X-Chromosomen. Das weibliche Hormon Östrogen trägt dazu bei, dass Frauen mit den meisten viralen Infektionen besser auf das Virus reagieren, eine schnellere Immunantwort bilden und die Vermehrung der Viren besser kontrollieren können. Wo das weibliche Hormon Östrogen das Immunsystem stimuliert, hat das männliche Hormon den gegenteiligen Effekt: Testosteron kann die Immunantwort unterdrücken und wirkt antientzündlich. Das doppelte X-Chromosom macht Frauen widerstandsfähiger. Und das nicht nur physisch, sondern auch politisch.
Wo Frauen regieren, gibt es weniger Todesfälle
Am besten kommen jene Länder durch die Coronakrise, die von Frauen regiert werden: Dänemark (Mette Frederiksen), Island (Katrin Jakobsdottir), Finnland (Sanna Marin), Neuseeland (Jacinda Ardern), Norwegen (Erna Solberg), Taiwan (Tsai Ing-wen) und Deutschland (Angela Merkel). Die Länder haben im internationalen Vergleich niedrige Infektionsraten und/oder weniger Todesfälle. Die Regierungschefinnen reagierten schnell und konsequent auf den Ausbruch der Pandemie, während Männer wie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, US-Präsident Donald Trump und der britische Premier Boris Johnson das Virus als „Hype“ und „chinesisches Virus“ bezeichneten und anfangs weiterhin fleißig die Hände schüttelten. Auch im Kommunikationsstil unterscheiden sich die Regierungschefinnen von den männlichen Kollegen. Wo sich der französische Präsident Emmanuel Macron als Feldherr im „Krieg“ gegen Corona inszeniert, kommuniziert Angela Merkel nüchtern und hört auf die Experten. Auch in den Bundesländern schneidet eine Regierungschefin am besten ab: Mecklenburg-Vorpommern kommt mit Manuela Schwesig auf die wenigsten Infektionen pro Einwohner. Weltweit führen lediglich in 15 von 193 Ländern Frauen eine Regierung an. Was wäre auf der Pandemie geworden, wenn mehr Frauen politische Spitzenämter innegehabt hätten? Dass Frauen oft die besseren Führungskräfte sind, belegen etliche ökonomische Studien. Der Faktor „Diversity matters“ gilt in allen Bereichen.
Systemrelevant und irrelevant
Frauen sind nicht nur in der Politik, sondern auch sonst „systemrelevant“. In den Gesundheitsberufen, Supermärkten und im Reinigungsgewerbe arbeiten mit großer Mehrheit Frauen. In der Krankenpflege sind es beispielsweise 80, in der Altenpflege 84 Prozent. Die Wertschätzung, die diesen Berufen in der Coronakrise entgegengebracht wurde, steht im Widerspruch zu ihrer Bezahlung. In der aktuellen Debatte, ob, wann und wie Kindergärten und Schulen wieder öffnen sollen, spielen die Stimmen der Frauen dagegen kaum eine Rolle. In der Debatte über mögliche Lockerungen geben Männer den Ton an: Virologen, Verbandsvertreter und Vertreter der Ärzteschaft. Corona hat sich bislang nicht als Beschleuniger, sondern als Bremser der weiteren Emanzipation in der Arbeitswelt geoutet. Frauen leiden unter „Homeoffice“ und „Homeschooling“ mehr als Männer. Die Betreuung der Kleinsten zuhause ist überwiegend ihre Aufgabe. Während Autohäuser und Baumärkte öffnen, bleiben Kitas geschlossen. Dänemark öffnet jetzt die Krippen, Kindergärten und Grundschulen, um junge Familien und vor allem Frauen zu entlasten. Dort regiert – eine Frau.
Daniel Dettling ist Jurist, Verwaltungs- und Politikwissenschaftler sowie Zukunftsforscher. Er leitet das Institut für Zukunftspolitik mit Sitz in Berlin. Für Globality Health ist er als Kolumnist tätig und schreibt regelmässig über Megatrends und aktuelle Themen.